Noch drei Tage, letzter Formcheck Tempogefühlsläufe: 3 x 1000 im geplanten WK-Tempo. Die Entscheidung für meine Wettkampfschuhe ist gefallen. Der ASICS Gel-DS Racer 9. Heute ziehe ich sie nochmals an.
Es ist deutlich wärmer als die letzten Tage, da hatte ich mir fast noch die Finger abgefroren. Langsam laufe ich mich ein. Drei Kilometer bis zur vermessenen Tempostrecke. Die Beine sind gut. Ich habe die letzten Tage ausgiebig gedehnt.
Verrückte Gedanken gehen mir durch den Kopf. Anfang der Woche war mein Auto beim TÜV, heute ich. Beim Urologen, zur Krebsvorsorge. Sieht man mir eigentlich an das ich ein Langstreckenläufer bin? Es war das erste was mich der Arzt fragte. Mein Blutdruck war erstaunlich niedrig 100/60. Eigentlich war mein unterer Wert immer etwas zu hoch. Nach Rückfrage ob das mit der ketogenen Ernährung zusammenhängen könnte, bekam ich eine Bestätigung. Dann bei der Sonografie: „Sind eigentlich alle Läufer so dünn?“ Ich entgegne „Im Moment wiege ich knapp 70 kg bei 1,83 m Körpergröße, beim Laufen zählt schließlich jedes Kilo“. Darauf er: „Ihre Prostata hat auch kein Gramm zu viel, die Nieren sehen hervorragend aus. Solche Patienten wünscht man sich öfter.“
Mittlerweile bin ich angekommen. Soll ich meine Jacke und Mütze ausziehen? Ach was, so warm ist es doch nicht. Ich starte in voller Montur. Die ersten Meter, nicht zu schnell und schön gleichmäßig. Irgendwie fühlt sich das gar nicht nach Tempo an. Eher wie Jogging. An der 500er Markierung schaue ich auf die Uhr: 2:01 min. Ok, das passt. Jetzt schön weiter. Nach dem Auto und meiner Gesundheit ist jetzt meine Form dran. Der letzte Test vor dem großen Wettkampf. Plötzlich schmerzt mein linkes Fußgelenk. Was ist denn das? Sowas hatte ich doch noch nie. Ich laufe weiter. Nach genau einem Kilometer stoppe ich in 4:04 ab. Na ja, passt. Wenn das am Samstag nach dem ersten auch so aussieht bin ich zufrieden. Zumal ich mich fast nicht anstrengen musste.
Langsam trabe ich zurück, der Schmerz im Fußgelenk geht weg wie er gekommen ist. Alles ist gut. An der Hälfte des 1000ers wende ich und laufe wieder Richtung Hainstadt. Langsam dämmert es, obwohl die Tage schon deutlich zugenommen haben. Ich bin wieder am Ausgangspunkt.
Der zweite Tausender. Locker und entspannt laufe ich los, alles passt. Jetzt zwickt nichts. Ich kontrolliere meinen Laufstil achte auf die Armarbeit. Bei der Hälfte verkneife ich mir den Blick auf die Uhr. Was hatte ich mich im Trainingslager mit den 6 x 1200 geplagt. Am Schluß konnte ich nicht mal mehr einen 4er Schnitt laufen. Und heute? Ich gleite regelrecht dahin. „So muss sich Hochform anfühlen“ die Worte einer Bekannten aus Freiburg gehen mir durch den Kopf, die am Wochenende einen Wettkampf gewonnen hat. Nach 3:57 min ist der Tausender abgespult. Keine Anstrengung zu spüren.
Locker geht es wieder zurück. Gut dass ich meine Jacke und Mütze angelassen habe. Kein Schweißtropfen zu sehen. Noch einmal, dann wars das mit schnellem Laufen. Die vielen Kilometer der Vorbereitung haben sich ausgezahlt. Das intensive Training grenzt schon fast an Masochismus. Man läuft wie mit Scheuklappen herum. Aber anders geht es nicht. Wie soll man sich sonst motivieren um im Winter nach einem langen Arbeitstag im Dunkeln rauszugehen? Dabei freue ich mich immer auf die Wochenenden wenn ich bei Tageslicht im Wald laufen kann.
Wieder bin ich an der Markierung. Ich wende und gleich geht es los. Das Gefühl ist super, die Beine locker, alles läuft rund und leicht. So soll es sein. Mit 3:55 min bin ich etwas zu schnell. Aber ich habe mein Tempo für Samstag gefunden, mal sehen wie lange ich es durchlaufen kann. 50 km sind lang und in meinen bisherigen Läufen über diese Distanz habe ich immer am Ende deutlich draufgezahlt. Aber ich werde es riskieren. Ich fühle mich heute besser als vor Bottrop. Die Strecke ist schneller und vom Untegrund her deutlich besser. Von mir aus könnte es morgen losgehen!
Beim auslaufen treffe ich noch einen alten Bekannten. Ein guter Läufer und Triathlet, der letztes Jahr eine schwere Herzkrankheit hatte und heute das erste mal wieder läuft, wie er mir kurz erzählt. Er ist 4 Jahre jünger als ich und von heute auf morgen von seiner Krankheit ausgebremst worden. Es freut mich, dass es ihm wieder gut geht und er wieder laufen kann. Erfolg ist nicht alles im Leben, es gibt viel wichtigere Dinge….