Halb sechs, der Wecker klingelt. Noch müde stehe ich auf und gehe in die Küche um den Wasserkocher einzuschalten. Während der Tee zieht, rasiere ich mich schnell. Anschließend geht’s in die Laufklamotten. Der grüne Tee ist noch heiß als ich ihn langsam, schluckweise trinke.
Kurz vor sechs Uhr bin ich draußen und der Garmin sucht die Satelliten. Es ist noch stockfinster und empfindlich kalt. Die Temperatur liegt heute nur knapp über dem Gefrierpunkt. Der Himmel ist sternenklar, es ist Oktober.
Der Garmin piepst und zeigt mir damit, dass er das GPS-Signal gefunden hat. Langsam trabe ich die wenigen Meter bis zum Ortsausgang und überquere die Straße zum Radweg. Durch ein Kleingartengelände geht es auf Asphalt in Richtung Waldamorbach. Auf der angrenzenden Straße fahren vereinzelt ein paar Autos und leuchten mir den Weg. Der erste Kilometer liegt deutlich über einem sechser Schnitt. Man sieht fast nicht die Hand vor den Augen. Ich bin kein Freund von Stirnlampen. Die Beine sind noch steif und müde vom 18-er Tempolauf am Montag. Aber dafür lief er erstaunlich gut. Es geht eindeutig aufwärts mit der Form. Dabei hatte ich noch vor wenigen Wochen ernsthafte Zweifel.
Mittlerweile bin ich in der dritten Woche der Vorbereitung und es läuft richtig gut. Letzten Samstag begleitete mich Giovanni, den ich zufällig traf bei meinem langen Lauf. Er ist im Training für den Frankfurt Marathon. Eigentlich wollte er nur einen Fünfer Schnitt laufen, aber obwohl wir uns intensiv unterhielten wurde es dann doch um einiges flotter. Nach elf Kilometern, kurz vor Wörth wendete ich und lief den Rest alleine. Die letzten sechs Kilometer Endbeschleunigung brachte ich trotz der enormen Vorbelastung sauber durch.
Verdammt ist das kalt heute Morgen, die Wiesen sind mit Rauhreif überzogen. Vorbei an abgeernteten Feldern laufe ich über die Bayerisch-Hessische Grenze. Ab hier ist der Weg geschottert. Kurz vor Waldamorbach kommt mir ein Frühaufsteher entgegen der seinen Hund ausführt. Es ist immer noch ziemlich finster und er leuchtet mit einer kleinen Handlampe. Im vorbei laufen grüßen wir uns kurz. Vier Kilometer liegen jetzt schon hinter mir, während ich eine Ortsrunde durch das kleine Dorf drehe. In einigen Häusern gehen die Lichter an als ich wieder auf den Radweg nach Hause abbiege.
Langsam wird es jetzt heller. Der abnehmende Mond ist rechts von mir als liegende Sichel im aschgrauen Licht. Im Osten färbt sich der Himmel langsam rötlich und kündigt den neuen Tag an. Der Heimweg hat ein ganz leichtes Gefälle. Meine Schritte werden lockerer, der Motor ist langsam warmgelaufen. Nur die Hände sind eiskalt obwohl ich sie in den Daumenlöcher meines ASICS Langarmtop vor der Kälte schützen kann. Vielleicht sollte ich morgen doch Handschuhe anziehen und ein Tube für den Hals wäre auch nicht schlecht. Zum Glück bin ich gleich zuhause. Nur noch wenige Hundert Meter liegen vor mir, bis ich die neun Kilometer für heute früh abgespult habe. Ich freue mich schon auf die warme Dusche und das anschließende Frühstück, bevor es zur Arbeit geht.